Hessen (Braunschweig)

Eine Gemeinde mit einem speziellen Namen. Welcher Ort hat schon den Namen eines Bundeslandes?

Die nachfolgenden R-Zettel weisen mit ihren zusätzlichen Bezeichnungen auf das Dilemma hin, den Ort richtig zu verorten.

Wie kommt ein Ort aus der ehemaligen DDR, im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt gelegen, in einen Blog zum Thema Niedersachsen?

R-Brief Hessen in Braunschweig nach Schöppenstedt, Poststempel 27. Februar 1881

R-Zettel vom obigen Beleg, Hessen i. Brschwg, erste Zeile schwarz, zweite und dritte Zeile rot

R- Brief Hessen in Braunschweig nach Schöppenstedt, Poststempel 1885

R-Zettel vom obigen Beleg, Hessen (Braunschweig), „R“ rechtsstehend

R-Zettel Hessen (Braunschweig), ca. 1914, allseitige Linienzähnung, R-Zettel Typ 2195 der Hessisch-Braunschweigisch-Württembergische Gruppe der OPD Braunschweig

R-Zettel Hessen (Braunschweig), R-Zettel Typ 3, schmaler Rand, der Einheitsausgabe der Deutschen Reichspost.

Braunschweig als Stadt liegt ca. 40 Kilometer vom Ort Hessen entfernt. Hier deutet der Zusatz auf den Freistaat hin.

Hessen gehörte bis zum 1. August 1941 zum Freistaat Braunschweig.

Durch das „Salzgitter-Gesetz“ wurde die Orte Hessen und Pabstorf 1941 gegen drei andere Orte im Zuge einer Gebietsbereinigung getauscht, um für die Stahlwerke Salzgitter ein wirtschaftlich interessantes Gebiet zu schaffen.

R-Brief Hessen über Börßum 15.3.1944 nach 5b Osterode in Ostpreußen. Briefmarken mit Michel Nummern 848 und 860/1, Geburtstag und Goldschmiedekunst.

Börßum liegt ca. 20 km von Hessen im Landkreis Wolfenbüttel liegend entfernt.

R-Zettel vom obigen Beleg, R-Zettel Typ 3, dicker Rahmen, der Einheitsausgabe der Deutschen Reichspost.

R-Zettel Hessen über Heudeber (Nordharz) mit Postleitgebietszahl 19 im Kreis. Ab 1944 wurden diese Leitgebietszahlen vom Paketdienst im Briefdienst übernommen. R-Zettel Typ der dritten Einheitsausgabe.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 100-Jahre-Oberpostdirektion-Braunschweig-1868-1968-Karte-1874-Hessen.jpg

Kartenausschnitt – Gebiet der Oberpostdirektion Braunschweig 1874, Hessen liegt östlich von Hornburg, nur ca. 15 km voneinander entfernt, beide Orte später in Grenznähe.

Der zum Landkreis Wernigerode gehörende Ort Hornburg wurde am 1. August 1941 gegen die braunschweigischen Orte Hessen mit Hessendamm und Pabstorf ausgetauscht. Postalisch fand der Austausch dieser Orte jedoch erst am 1. April 1944 zwischen den Reichspostdirektionen Braunschweig und Magdeburg statt.

Heudeber liegt ca. 15 km von Hessen im heutigen Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt entfernt.

Zum Kriegsende 1945 besetzten erst die Amerikaner den Ort, anschließend die Briten. Ab 1. Juli 1945 gehörte Hessen zur sowjetischen Besatzungszone, entsprechend später zur DDR.

R-Zettel der Deutschen Post der DDR, Hessen über Heudeber (Nordharz), ab 1958 auf Pergaminpapier. Vierstelliger Numerator und alpha-numerisches Amtskennzeichen M 78 auf sogenanntem Rautenzettel.

Hessen lag nur ca. vier Kilometer von der innerdeutschen Grenze entfernt (heute Landesgrenze Niedersachsen/Sachsen-Anhalt). Die Nähe zur Grenze war für den Ort schwierig. In der der DDR-üblichen Sperrzone wurden Menschen zwangsweise ausgesiedelt.

Drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer wurde die Grenze zum benachbarten Mattierzoll, Landkreis Wolfenbüttel, geöffnet.

Am 31.12.1990 berichtete die Magdeburger Allgemeine Zeitung über Gedanken zu einem Wechsel von Sachsen-Anhalt nach Niedersachsen. Dieser Wunsch war wohl nicht mehrheitsfähig.

R-Zettel 3605 Hessen. Die Postleitzahl 3605 der Deutschen Post der DDR wurde auch nach dem Tag der deutschen Einheit im Oktober 1990 weiterverwendet.

Poststempel Hessen 3605 vom 14. Januar 1991 vom Einlieferungsbeleg des obigen Einschreibens. Erst 1993 wurden die bundesweiten fünfstelligen Postleitzahlen eingeführt.

Die Postleitzahl 3605 der Deutschen Post der DDR in einer Produktion der Zettel der Deutschen Bundespost.

Die Postleitzahl 3605 war in Gesamtdeutschland nur einmal vergeben.

Das Land Braunschweig wurde 1946 Teil des neuen Bundeslandes Niedersachsen.

Hessen hat mit Niedersachsen nichts zu tun. Aber ein Einschreibezettel mit dem Zusatz Braunschweig gehört in die Sammlung Niedersachsen. Und ein Blick über die Landesgrenzen hinweg kann nicht schaden.

Hessen (ca. 1.300 Einwohner) gehört seit dem 1. Januar 2010 zur Stadt Osterwieck in Sachsen-Anhalt. 38835 lautet die aktuelle Postleitzahl.

Hessen und Calvörde, beide in Sachsen-Anhalt, beide früher zum Freistaat Braunschweig gehörend, verbindet die Lebensweise der damaligen Fürsten. In beiden Orten stand früher ein Schloß, das für die Geschichte der Orte von Bedeutung war.

Informationen zu Calvörde, einem weiteren Ort im Freistaat Braunschweig, finden Sie hier.

Quelle:

  • Katalog der Deutschen und verwandten R- und + V-Zettelformen, Herausgegeben von der Westdeutschen Arbeitsgemeinschaft R-Zettel und R-Stempel, 2. Auflage Oktober 1966, umgangssprachlich Overmann-Katalog.
  • 100 Jahre Oberpostdirektion Braunschweig 1868-1968
  • Die R-Belege von 1881 und 1885 sind mir freundlicherweise von Herrn Schulz, Celle zur Verfügung gestellt worden. Vielen Dank!

Bemerode Lager

Ein Einschreibzettel mit dem Zusatz Lager

R-Zettel Bemerode (Lager) über Hannover, R-Zettel Typ 34, Einheitsausgabe der Deutschen Reichspost

Bemerode ist heute ein Stadtteil der Landeshauptstadt Hannover.

Am 1. März 1974 wurde das Dorf Bemerode im Zuge der niedersächsischen Kommunalreform aus dem Landkreis Hannover in die Stadt Hannover eingemeindet.

Für eine Luftnachrichteneinheit war 1938 am Stadtrand und am Rande des Seelhorster Waldes im sogenannten „kleinen Holz“ ein Barackenlager errichtet worden, in dem Soldaten als Funker, Fernmelder und Telegrafenbauer ausgebildet wurden.

Das Wehrmachtslager bestand aus zahlreichen Baracken, Speisesaal mit Kantine, Kleiderkammer, Wasch- und Toilettenanlagen, Werkstätten, Bunkern, Hütten und Garagen. Lehrsäle dienten der Ausbildung auf technischem Gebiet. Ein Exerzierplatz wurde eigens angelegt. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges wurden die Häuser zur Tarnung mit Giebeln aus Strohgeflecht versehen. Neben den meist geteerten Straßen wurden Pappeln gepflanzt.

Die getarnten Baracken sollten für die gegnerische Luftwaffen ein Siedlungsgebiet vortäuschen.

Baracken im Lager Bemerode

Das Lagergelände war von einem Drahtzaun umgeben, ein Schlagbaum sicherte den Eingang.

Paul Theile 1940 im Lager Bemerode

Paul Theile, Autor (siehe Quellenangabe am Ende des Artikels), ist es zu verdanken, dass viel Geschichtliches von Bemerode und Umgebung dokumentiert worden ist. Der ausgebildete Lehrer und spätere Soldat kam 1940 in das Lager Bemerode zur Luftnachrichtentruppe, wo er mehrere Lehrgänge für eine Ausbildung zum Offizier absolvierte.

Von direkten Kriegseinwirkungen war diese Anlage weitgehend verschont geblieben, und so diente das Lager, wie es allgemein genannt wurde, nach Beendigung des Krieges dazu, deutsche Gefangene aufzunehmen.

Nach dem Einmarsch der US-Streitkräfte wurde das Gelände unter britischer Führung bis 1952 als Militärlager genutzt. Danach beherbergten die Gebäude bis 1955 eine britische Kraftfahrzeug Einheit.

In Bemerode entstand eines der größten Kriegsgefangenlager, dass von den Briten als Handwerkerlager bezeichnet wurde. 4.800 Kriegsgefangene mit entsprechenden Fähigkeiten wurden hier zusammengefasst, um für die unterschiedlichsten Arbeiten in Hannover verwendet zu werden. Lagerkommandant dieses POW-Camps der 301. Division in der 8. Armoured Brigade der britischen Armee war Captain Davies. (POW = Prisoner of War)

Als die Bewachung des Lagers allmählich aufgehoben wurde, entwickelte es sich zu einer Auffangstelle für entlassende Soldaten, die keine Möglichkeiten hatten, in ihre (Ost-) Heimat zurückzukehren.

Briefausschnitt Stempel Bemerode (Lager) Hannover, 18.12.44

Am 7.7.1948 wird dieses Einschreiben mit dem Zusatz Lager im R-Zettel von der Post Bemerode über Hannover nach Lauenstein bei Elze abgefertigt. Das Lager bestand im Jahr 1948 noch.

Der Absender K. Algner Bemerode 236 Plant Group G.C.L.O. schreibt an seine Frau Adelheid Algner in das ca. 45 km entfernte Lauenstein. (Plant Group = die Sammlung einzelner Gebäude auf einer kriegsbasierten Produktionsstätte)

Die German Civil Labour Organisation (GCLO) (übersetzt: Deutsche zivile Arbeitsorganisation) war eine von 1947 bis 1950 bestehende Organisation der britischen Besatzungsmacht in Deutschland, in der deutsches Zivilpersonal tätig war. Die GCLO entstand am 1. August 1947 nach der offiziellen Auflösung vormaliger Labour Service Einheiten in der britischen Besatzungszone, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus Teilen der deutschen Wehrmacht gebildet worden waren. Am 21. Oktober 1950 wurde die GCLO in die German Service Organisation (GSO) überführt.

Erfreulicherweise ist der Briefinhalt im Beleg erhalten geblieben. Eine Abschrift folgt am Ende des Artikels. *

Im Oktober 1949 beschäftigte die Beteiligten der Nachlass eines verstorbenen britischen Offiziers, Fuffy – ein Hund…

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Erhebung.jpg

Erhebung der Gemeinde über die Situation im Lager Bemerode aus dem August 1951, die Straßenanschrift des Lagers lautet: Bischofsholer Straße 31

Erhebung der Gemeinde über die Situation im Lager Bemerode aus dem November 1952

Bereits im damaligen Kriegsgefangenenlager wurde unmittelbar nach Kriegsende 1945 von den Insassen ein Barackenraum behelfsmäßig zu einer gottesdienstlichen Stätte umgestaltet. Daraus entstand eine Lagerkirche, die erst am 20. Juli 1958 mit einer Abschiedspredigt letztmalig als Kirche genutzt wurde.

Baracke 58, Belegungsplan: die Gemeinde Bemerode hielt am 25.11.1953 fest, welcher Raum in der Baracke wem zugeordnet war. Die zwei Räume links unten wurden von der Katholischen Kirche genutzt.

Karte des GSO Camp Hannover Bemerode

Die Original-Karte im Format 73 cm x 61 cm liegt im Archiv der Region Hannover in Neustadt am Rübenberge. Die Karte hat leider kein eigenes Datum. Sie ist Teil einer Akte zum Lager Bemerode mit der Laufzeit 1953 bis 1956.

Die Legende der obigen Karte mit der Zuordnung der einzelnen Häuser

Beispiele: Accommodation = Unterkunft, Camp Police (1) = Lager Polizei, H. Q. Building (24) = Hauptquartier, Pig Sty (42) = Schweinestall, Coal Store (43) = Kohlenlager, Sewage (86) = Abwasser

Ausschnitt aus Karte des GSO Camp Hannover Bemerode (Mitte unten), eingezeichneten Nissen Hütten als Familiennotsiedlung und zwei Hütten im Eigentum der Continental Hannover.

Familiensiedlung im abgetrennten Teil des GSO-Lagers Bemerode, aus einer Notiz der Gemeinde Bemerode, GSO = German Service Organisation, eine Dienstgruppe der Britischen Armee.

Im Anschluss erfolgte eine allmähliche Übergabe an die Bundeswehr und an zivile Gewerbebetriebe. Auch die Gemeindeverwaltung Bemerode und ein Theater hatten auf dem Gelände zeitweise ihren Sitz.

Die noch vorhandenen Gebäude wurden nach und nach entfernt, Schuttreste abgesammelt, Teerstraßen und Betonwege entsiegelt und die Freiflächen teilweise aufgeforstet. 2/3 der Lagerfläche wurde zu Bauland. Über der ehemaligen Lagerkläranlage wurde ein Rodelberg aufgeschüttet.

Noch heute sind im Seelhorster Wald Spuren des Lagers zu entdecken

Betonreste, noch nicht ganz überwachsen

Ein Kartenausschnitt aus dem Mai 1954. Das Lager ist namentlich gekennzeichnet. (Bauverwaltung der Hauptstadt Hannover)

Der Vergleich zur farbigen Karte gibt eine gute Orientierung.

Seit den 1980er Jahren entstanden im unmittelbaren Umfeld des Waldes Gebäude und Siedlungen, wie der Verlag Madsack, das Annastift und die Wohngebiete Emslandviertel, Seelhorster Garten und Spargelacker.

Das Lagerwäldchen (kleine Seelhorst) befindet sich südlich der Bemeroder Straße/Dreibirkenweg und westlich der Emslandstraße. Das Lagergelände umfasste alle heutigen Straßen mit Emslandbezeichnungen.

Aus Sicht der Wehrmacht verständlich, dass das Postamt Bemerode LAGER in den Ortsverzeichnissen der Deutschen Reichspost 1939 und folgende Jahre nicht aufgelistet wurde.

Bemerode ist postalisch bis zur Einführung der Label 1997 auf Einschreibzetteln dokumentiert: 30539 Hannover 72, 3000 Hannover 72, 3011 Bemerode, Bemerode (Han) 12 A (AKZ), 20a Bemerode (Han), 20a Bemerode über Hannover, Bemerode über Hannover, Bemerode (Landkreis Hannover).

*Mein süßer Liebling! Da ich heute nach meiner Rückkehr diese Raucher und Punktekarten ausgehändigt bekam, will ich gleich wie es sich für einen guten Ehemann wie Geburtstagskind gehört, Dir mein Liebling selbiges übersenden. Ich bitte Dich, kaufe also für nächsten Sonntag etwas Rauchbares. Nach Möglichkeit Tabak und Papier. Über die Verwendung der Punkte sprechen wir am Ende der Woche. Denn ich weiß immer noch nicht, was mit dem Hund und der Uhr wird. Wegen der Uhr will sobald als möglich zur Stadt. Vielleicht findet sich etwas passendes. Und mit dem Hund stehen die Aktien so. Man war am Sonnabend wahrscheinlich nach Goslar gefahren und ist bis Montag am Morgen noch nicht zurückgewesen. Es ist also alles noch offen. Ich wäre froh wir hätten es hinter uns. Ein Hund macht schon Ärger, wenn er da ist. So lass mich dann schließen, ich verbleibe mit vielen herzlichen Grüßen und süßen Küssen, dein Dich herzlich liebender … PS. Geld habe ich als Abschlag noch 30,00 DM bekommen.

Offene Frage:

Für die im Wikipedia Eintrag „Seelhorst Stadtwald“ im Lager Bemerode erwähnte Heeres-Nebenmunitionsanstalt Hannover hat der Autor bisher keine Hinweise in der Literatur gefunden. Kann eine Leserin oder Leser weiterhelfen?

Quellen:

  • Katalog der Deutschen und verwandten R- und + V-Zettelformen, Herausgegeben von der Westdeutschen Arbeitsgemeinschaft R-Zettel und R-Stempel, 2. Auflage Oktober 1966, umgangssprachlich Overmann-Katalog.
  • Familien Notsiedlungen, Nutzung des GSO-Lagers Bemerode für Notunterkünfte (1949-1955)
  • Hannover zwischen Null und Neubeginn, Dieter Tasch, 1985, Leuenhagen & Paris
  • 1000 Jahre christliches Wirken am Kronsberg, Paul Theile, 1987, Kronsberg Verlag
  • Heimat am Kronsberg, Kronsberger Geschichtsblätter, Heft 3, Paul Theile, 1998, Selbstverlag
  • Die Seelhorst, Stadtwälder in Hannover, 2016, Landeshauptstadt Hannover
  • Fotos vom Autor, November 2019
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Seelhorst_(Stadtwald), abgerufen am 7.1.2020
  • Mein Dank geht an Herrn Rainer Lütgens, Langenhagen für die Bereitstellung eines Beleges
  • Flüchtlingslager im Landkreis Hannover, Instandsetzung und Ausstattung, Versorgung mit Lebensmitteln (1945-1953) (Archiv der Region Hannover)
  • Verfügbare ehemalige Wehrmachts- und Rüstungsanlagen (Niedersächsisches Landesarchiv Hannover)

Nachsatz: Das Foto von Herrn Theile und die zwei Abbildungen des Barackenlagers sind dem Buch „Heimat am Kronsberg, Kronsberger Geschichtsblätter, Heft 3, Paul Theile, 1998, Selbstverlag“ entnommen. Da Herr Theile im Jahre 2006 verstorben ist und das Buch im Selbstverlag veröffentlicht wurde, hatte ich keine Möglichkeit die Bildrechte zu erbitten. Ich bitte um Zuschrift, von der Person, dem die Rechte gehören.

Die ersten Einschreibzettel der Deutschen Reichspost

Wie 1875 ein attraktives Sammelgebiet begann!

Die General-Verfügung des General-Postamts aus Berlin verfügte am 9. Januar 1875 die Verwendung der ersten Einschreibzettel:

Die Qualität der Abbildungen ergibt sich aus den Scans. Und hier der Text in damalige Wortwahl vom obigen Amtsblatt zum Nachlesen:

Seite 1

„Mit Bezug auf die General-Verfügung Nr. 277 vom 28. December 1874 (Amtsblatt der Deutschen Reichs-Postverwaltung Nr. 95) werden die Postanstalten davon in Kenntnis gesetzt, daß zum Bekleben der Einschreib-Briefsendungen einstweilen gummirte Zettel in Anwendung kommen sollen, welche im Rothdruck die Bezeichnung „Eingeschrieben“ und den Vordruck No – (o über =).

Die Zettel finden bei allen Sendungen Anwendung, welche bisher bei der Aufgabe bz. von der Grenz-Eingangs-Postanstalt mit dem Stempel „Recommandirt“ bz. „Charge“ zu bedrucken waren; die Begleitadressen zu Einschreibpaketen werden jedoch mit dem Zettel nicht beklebt.

Der erste Bedarf von den betreffenden Zetteln wird den Postanstalten von der vorgesetzten Ober-Postdirektion ohne Bestellung geliefert werden.

Die Zettel sind auf der Adreßseite der Briefsendungen, wenn thunlich oben links, zu befestigen. Beim Aufkleben ist die Verdeckung von Schriftzügen der Adresse zu vermeiden.

Seite 2:

„Hinter dem Vordruck No ist auf den Zetteln die Nummer aus dem Annahmebuche mit schwarzer Tinte zu vermerken. Soweit jedoch nach obiger Vorschrift Einschreibsendungen vom Auslande mit dem Zettel Eingeschrieben zu bekleben sind, bleibt der Vordruck NO unausgefüllt.

Die Anwendung der Zettel soll vom 1. Februar ab stattfinden. Die Stempel „Recommandirt“ und bz. „Charge“ sind demnächst an die vorgesetzten Ober-Postdirection einzusenden.

Die Begleitadressen zu Einschreib-Paketen brauchen auch jetzt schon mit dem Stempel „Recommandirt“ nicht mehr bedruckt zu werden.“

Einschreibbrief aus Hannover nach Bremen vom 14. April 1875, Briefmarken der Deutschen Reichspost in Taler- und Mark Währung, Michel Nr. 20 und 33.

Einschreibbrief Postsache aus Herzlake nach Haselünne vom 2. Juni 1875

Einschreibbrief aus Fürstenau in Hannover nach Steele vom 1. Juli 1875, Michel Nr. 33drei 10 Pfennig Briefmarken.

Einschreibbrief aus Grohnde nach Hildesheim vom 11. August 1875, Michel Nr. 33drei 10 Pfennig Briefmarken.

Die vier obigen Zettel im Vergleich:

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist herzlake-zettel_000677-1.jpg
Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Fürstenau-zettel_000669-1.jpg

Der Einschreibbrief aus Hannover vom 14. April 1875 lässt sich auseinanderfalten und gibt einen Einblick in die damalige Zeit. Die Überschrift des Formulars lautet: „Anzeige über verweigerte und unbestellbare Güter“.

Bereits im Amtsblatt Nr. 6 vom 18. Januar 1875 wird verfügt, dass die neuen Zettel „sofort nach dem Eingange“ in Gebrauch zu nehmen sind. Die Erstverwendung dieser neuen Zettel dürfte also bereits im Januar 1875 erfolgt sein.

Die Zettel wurden in der Reichsdruckerei Berlin auf weißem gummiertem Papier in roter Farbe produziert. Dieser geschnittene Zettel wird als Typ 21 bezeichnet.

Die neuen Zettel haben nur einen kurzen Einsatzzeitraum. Bereits im September 1875 wird beschlossen, zusätzlich den Ortsnamen im Zettel aufzunehmen.

Als Vorläufer gelten die von der Feldpostexpedition im neuen Reichsland Elsaß-Lothringen verwendeten Zettel. Während des deutsch-französischen Krieges 1870-1871 wurden eingeschriebene Briefe mit rot umrandeten gummierten Zetteln beklebt. Jedenfalls ist die Ausgabe der reichsländischen Vorläuferzettel auf lokalamtliche Veranlassung der dortigen Oberpostdirektion (Metz und Straßburg) erfolgt, möglicherweise zur Probe, wie sich die neue Kennzeichnung der Einschreibbriefe bewähren würde. Die Königlich Württembergische Post folgte der Reichspost am 1.2.1875, die Königlich Bayerische Post startete ab dem 16.2.1875 (Verordnung).

Quellen:

  • Amtsblatt der Deutschen Reichs-Postverwaltung, No 4, Berlin, 9. Januar 1875
  • Die Eingeschrieben- und R-Zettel der Deutschen Reichspost und der Königlich Bayrischen Post, Paul Kleeberg, Sonderdruck aus den Germania Berichten, Zeitschrift des Germania-Ring, 1932
  • Katalog der Deutschen und verwandten R- und + V-Zettelformen, Herausgegeben von der Westdeutschen Arbeitsgemeinschaft R-Zettel und R-Stempel, 2. Auflage Oktober 1966, umgangssprachlich Overmann-Katalog.
  • Philatelistisches Jahrbuch 1986, Landesverband Elbe-Weser-Ems e.V.

Kartenbrief

Ein Kartenbrief als Einschreiben

Der Kartenbrief war eine vereinfachte Briefform, mit der Möglichkeit kurze Texte verschlossen zu versenden.

Ein Kartenbrief ist ein zweimal zu faltendes kartonstarkes Blatt. Die Ränder sind gummiert und perforiert. Ein Wertstempeleindruck (oben rechts) macht ihn zu einer Ganzsache. Der Beleg konnte durch Abriss an der perforierten Linie geöffnet werden.

Eine Zwischenstufe zwischen Karte (Postkarte) und Brief. Die Deutsche Reichspost verkaufte und beförderte 1898 folgenden Kartenbrief.

In Lauterberg (Harz) wurde der Kartenbrief am 10.1.1898 abgestempelt und nach Hamburg-Borgfelde, Mittelweg 4 transportiert.

Der R-Zettel Lauterberg (Harz) vom obigen Beleg, R rechtsstehend, Zettel nicht perforiert, sondern geschnitten. R-Zettel Typ 2193 der Hessisch-Braunschweigisch-Württembergischen Gruppe.

Der verschlossene Kartenbrief hat ein Format von Höhe ca. 94 mm x Breite 140 mm.

Auseinandergefaltet ist die Vorlage größer als ein DIN-A 4 Blatt, ca. 316 mm hoch mit geöffneter Klappe. Die 10 Pfennig Marke oben rechts ist eingedruckt.

Die weiteren aufgeklebten Briefmarken decken die zusätzliche Gebühr für ein Einschreiben.

Ankunftsstempel Hamburg-Borgfelde 11.1.1898

Auf der Klappenrückseite findet sich in roter Schrift dieser Text: „In denjenigen Verkehrsbeziehungen zum Auslande, wo das Briefporto 20 Pf. beträgt, ist das Franko um 10 Pf. in Marken zu ergänzen“.

Die Deutsche Reichspost hatte Kartenbriefe von November 1897 bis zum Juni 1922 im Angebot.

Von den Kartenbriefen der Deutschen Reichspost liegen verschiedene Varianten vor. Je nach Art der Zählweise sind acht verschiedene Typen nachgewiesen.

Erfinder des Kartenbriefs war der Ungar Carl Akin, der 1871/2 darauf ein Patent angemeldet hat. Das Patent war allerdings nur ein Jahr gültig und lief am 17. Januar 1873 aus. Erst danach wurde der Kartenbrief von vielen Postverwaltungen eingeführt. der Erfinder ging leer aus.

Bekannt sind Kartenbriefe (Karten-Brief, Letter Card, Rohrpostkartenbrief) u.a. aus Großbritannien, Argentinien, Österreich, Böhmen und Mähren, Frankreich, Belgien.

Ohne den perforierten Rand gab es später eine weiterentwickelte Variante als Aerogramm.

Quellen:

  • Katalog der Deutschen und verwandten R- und + V-Zettelformen, Herausgegeben von der Westdeutschen Arbeitsgemeinschaft R-Zettel und R-Stempel, 2. Auflage Oktober 1966, umgangssprachlich Overmann-Katalog.
  • Illustriertes Briefmarken-Journal, 1898, Zur Geschichte der Kartenbriefe der deutschen Reichspost
  • Ullrich Häger, Kleines Lexikon der Philatelie, Bertelsmann Lexikon Verlag, 1977
  • Ungarn Jahrbuch 2014, Tamas Gudlin

Telegramm

Telegraphie im Deutschen Reiches mittels Einschreiben:

Frau Bürgermeister Jahns, Dringend nach Elze …Facharzt…? P.P., ein kleinformatiger Beleg aus dem Jahr 1879. (Format 7,3 cm x 12,9 cm klein)

Die Geschichte der Telegraphie und der Telegramme beginnt 1684. Die Details der Telegramm-Geschichte sind sehr umfangreich und würden dieses Format „sprengen“. Am Ende des Beitrags verweise ich auf Literaturquellen, die sehr lesenswert sind.

Wie erklärt man heute jungen Menschen, was ein Telegramm ist? Wohl alle Haushalte haben Zugang zu einem Telefon, einem Smartphone oder dem Internet. Dieses macht ein Telegramm in der heutigen Zeit überflüssig.

Das Wort Telegramm setzt sich aus dem griechischen Tele = fern und Gramma = Buchstabe zusammen. Ein Telegramm ist eine telegraphisch übermittelte Botschaft mit Unterstützung von elektrischen, optischen oder akustischen Geräten. Das Telegramm überbrachte Nachrichten schneller als jeder Brief.

Der Text für ein Telegramm wurde persönlich oder telefonisch (Firmen) bei einem Postamt oder einem Telegrafenamt aufgegeben.

Die notierten Angaben wurden mittels Fernschreiber an ein Post- bzw. Telegrafenamt in der Nähe des Empfängers übermittelt.

Von dort wurde die Nachricht mit einem Boten in kurzer Zeit an den Adressaten in Schriftform zugestellt.

In diesem Beitrag geht es um obigen Beleg, ein Telegramm Faltumschlag.

Geschnittener Einschreibzettel vom obigen Beleg Elze in Hannover, ohne Buchstabe „R“. Ein Einschreibzettel der Norddeutschen Gruppe, Typ 2162. Hergestellt von der Firma Schlüter, Hannover in Bögen zu 100 Stück, ungezähnt auf weißem gummierten Papier. Erste und dritte Zeile in schwarzer Schrift.

Für die postalische Weiterbeförderung als Einschreiben wurde eine zusätzliche Gebühr bezahlt.

Verschlussvignette Kaiserlich Deutsche Telegraphie, Adler im Prägedruck

Der Innenteil vom Telegramm, aufgeklappt, trapezförmig geschnitten, Maße 21,5 cm x 24,2 cm.

Der vergrößerte Kopfteil von obigem Beleg, Telegraphie des Deutschen Reiches, Amt Elze

N0. 43/701, aufgenommen von Hand, den 2.4. um 1 Uhr 35 Minuten durch Stöpsel – Telegramm aus Lenchin Land Nr. 45, 13 Worte den 2.4.1879, 4 Uhr 45 Minuten, …Vermittler R…? (Lenchin in der heutigen Ukraine?)

Und jetzt endlich die Nachricht des Telegramms: Gustav außer Gefahr

Der Aufgeber hat die Art der von ihm verlangten Weiterbeförderung in einem taxpflichtigen Zusatz vor der Anschrift geschrieben, wobei die Abkürzung P.P. für Post gilt.

Kein Formular ohne Nummer: C. 187., als Vordruckbezeichnung, unten rechts im Innenteil abgedruckt.

Trotz der technischen Entwicklung bietet die Deutsche Post AG auch heute noch Mini- oder Maxitelegramme an. Zwischen 160 Zeichen und 480 Zeichen kann das Telegramm lang sein. Und zwischen 12,90 € und 22,55 € (Stand 13.10.2019) kostet diese Dienstleistung.

Offene Frage:

Wo liegt Lenchin?

Quellen:

  • Katechismus der Deutschen Reichspost, Verlagsbuchhandlung Weber, Leipzig 1882
  • Handbuch für Post und Telegraphie, Berlin 1886 Illustriertes Post- und Telegraphen-Handbuch, zum täglichen Gebrauch für jedermann(!), Winter-Ausgabe 1906/7, 19. Jahrgang, Weimar
  • Post-, Telegraphen- und Telephonrecht, Verlag von G.A. Gloeckner, Leipzig 1909
  • Deutsche Zeitung für Briefmarkenkunde Nr. 21/1966
  • Telegraphie des Deutschen Reichs, Geschichte und Katalog 1848-1945, Hans Friedrich Karl Meier zu Eissen, 2013
  • Lexikon der Philatelie, Wolfram Grallert
  • Katalog der Deutschen und verwandten R- und + V-Zettelformen, Herausgegeben von der Westdeutschen Arbeitsgemeinschaft R-Zettel und R-Stempel, 2. Auflage Oktober 1966, umgangssprachlich Overmann-Katalog.

Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei, Delmenhorst

Was verbirgt sich hinter NW&K in Delmenhorst?

R-Brief 15.8.27 von Delmenhorst nach Oldenburg, Freistempler NWK Wolle, 45 Reichspfennig, Absender Kammgarnspinnerei Delmenhorst G.m.b.H., NW&K

Firmen R-Zettel vom obigen Beleg, vom Absender mit einem Stempel und den Initialen NWK ergänzt.

Die Firma hat die ihr von der Post zur Verfügung gestellten R-Zettel mit einem Stempel versehen. Ein Selbstbucher, diesmal nicht mit vorproduzierten Zetteln. Postkunden mit höheren Einlieferungsmengen bekamen „eigene“ Einschreibezettel, um den Einlieferungsvorgang zu beschleunigen. Eine Erklärung für die sogenannten Selbstbucher.

Welcher Postkunde verbirgt sich hinter NW&K?

NW&K = Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei, im Telegrammspiel Nordwolle genannt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist IMG_20181211_114758-Lahusen-789x1024.jpg

Martin Christian Lebebrecht Fürchtegott Lahusen (1820-1898) gründete 1884 die Nordwolle in Delmenhorst.

Der Standort der Firma lag an der 1867 gebauten Bahnlinie, die die Städte Bremen und Oldenburg verband und bis zur Nordseeküste nach Wilhelmshaven führte. Auf diesem Weg kamen die aus Übersee angelieferten Rohwolleballen direkt zur Fabrik in Delmenhorst.

Das Firmengelände ist mit Gleisanschluss, Lagerhäusern, Wollsortierung, Wollwäscherei, Kontor und Direktion, Villa der Unternehmer, Wollepark, Häuser für leitende Angestellte, Speiseanstalt, Badeanstalt, Mädchenwohnheim, Produktionshalle, Turbinenhalle und Krankenhaus eine Stadt in der Stadt.

Unter Lahusen Sohn Johann Carl (Leiter 1888-1921) wurde das Unternehmen ausgeweitet.

Die Nordwolle gehörte nach ihrer Gründung bald zu den wichtigsten und angesehensten Industrien in Deutschland. Der Nordwolle-Konzern beschäftigte 1930 in elf Werken über 22.000 Menschen. In Delmenhorst wurden im gleichen Jahr ca. 4.500 Beschäftigte und ca. 5.500 Familienangehörige gezählt.

Zum Vergleich: Delmenhorst hatte 1930 ca. 27.000 Einwohner.

Zeitweise gab es eigene Schafzuchten in Argentinien und Uruguay und eigene Schiffe und Lagerschuppen in Bremen.

Die Geschichte der Unternehmer-Familie Lahusen und der Fabrik endete am 21.7.1931, als das Unternehmen im Zuge der Weltwirtschaftskrise und dem Unvermögen der nachfolgenden Generation in Konkurs ging. Das Unheil nahm seinen Lauf mit unsolider Expansion und Überschuldung u.a. durch Repräsentationsbauten. Die Verluste wurden auf 180 bis 240 Millionen Reichsmark geschätzt, und so löste der Zusammenbruch der Nordwolle weit über Delmenhorst und Bremen hinaus die sogenannte Deutsche Bankenkrise aus, in der verschiedene Banken und auch der Bremer Staat erheblichen finanziellen Schaden erlitten. Zurücktreten musste der mit Lahusens verschwägerte Bremer Senator Heinrich Bömers, der kurz darauf starb. Die Brüder wurden 1931 verhaftet und 1933 wegen Bilanzverschleierung und Untreue verurteilt. Die Inhaber Georg Carl Lahusen, (Firmenlenker 1921-1931) und Heinz Lahusen kamen ins Gefängnis.

1925 erteilte Georg Carl Lahusen für 12.000.000 Reichsmark den Auftrag für den Bau einer neuen Konzernzentrale in Bremen. Nach dem Konkurs, zu dem auch dieser überdimensionierte Repräsentationsbau beigetragen hatte, diente der Bau in der NS-Zeit als Haus des Reichs. Heute wird das Gebäude von der Bremer Finanzverwaltung genutzt.

Georg Carl Lahusen saß im Aufsichtsrat der Danatbank.

Für die Hausbank der Nordwolle, die Darmstädter und Nationalbank (Danatbank), hatte der Bankrott die unmittelbare Folge, dass sie selbst zahlungsunfähig wurde. Die Banken in Deutschland wurden für einige Tage geschlossen. Die Danatbank verlor 48 Millionen Reichsmark und wurde unter Reichstreuhandschaft gestellt und im Folgejahr von der Dresdner Bank übernommen. Auch die Schröder-Bank wurde deshalb zahlungsunfähig und musste schließen.

R-Brief 3.11.21 innerorts Delmenhorst, Absender Norddeutsche Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei Delmenhorst G.m.b.H.

Vignette von der Rückseite des Beleges

R-Zettel vom obigen Beleg

R-Brief 12.9.22 von Jever, Absender Darmstädter und Nationalbank, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Depositenkasse, an gleiche Bank in Wilhelmshaven. Ein Beleg der Danatbank aus einer Zeit, in der die Geschäfte noch funktionierten.

R-Zettel vom obigen Beleg

Nach dem Konkurs wurde in unterschiedlichen Gesellschaften bis 1981 weiter produziert.

Einige Fotos sollen den Artikel illustrieren:

Die Schaufassade mit Lagerhaus B der NW&K, vormals Räume von Verwaltung und Direktion, direkt neben den Bahngleisen.

Rechts neben dem Haupttor hängt auch heute noch die Zentraluhr.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist IMG_20181211_125739-Turm-577x1024.jpg

Der Wasserturm in seiner heutigen Wirkung. An der Südseite ist ein Relief eines Merinowidders zu sehen. Das Gründungsjahr der Firma 1884 ist unter dem Widder abgebildet.

Der achtzackige Stern war das offizielle Firmenemblem. Das Sternzeichen stellte das Garantiezeichen der NW&K dar und befand sich auf sämtlichen Erzeugnissen.

Auch heute lohnt sich ein Besuch der Nordwolle in Delmenhorst, einem der größten Industriedenkmale Europas.

Quellen:

  • Nordwolle Delmenhorst, Baudenkmal, Wohngebiet, Wirtschaftsstandort, EXPO-Projekt, Delmenhorst 2000, ISBN 3-89598-694-1
  • Die Nordwolle, Eine Stadt in der Stadt, Förderkreis Industriemuseum Delmenhorst
  • Die Nordwolle, M. Mende, Der historische Ort, Berlin 1997, ISBN 3-931121-35-6
  • Warum dieser Beleg? Wolfgang Müller, Arbeitsgemeinschaft Münzen und Geldwesen, Mitteilungsblatt 114, Dezember 2007
  • Fotos vom Autor, Dezember 2018

Reichserntedankfest Bückeberg

Reichserntedankfest Bückeberg

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Bitte respektieren Sie diese Aufforderung!

Das Reichserntedankfest auf dem etwa fünf Kilometer südlich von Hameln gelegenen Bückeberg, umgangssprachlich auch Bückebergfest genannt, fand in den Jahren 1933 bis 1937 jeweils am ersten Sonntag nach dem Michaelistag statt. Neben dem Reichsparteitag in Nürnberg und der Feier zum 1. Mai in Berlin war es die größte Massenveranstaltung der NSDAP.
Als Festplatz diente eine künstlich abgeflachte Wiese am Nordhang des Berges von etwa 600 Metern mal 300 Metern oder etwa 25 Fußballfelder groß. An den Reichserntedankfesten nahmen zuletzt über eine Million Menschen aus dem ganzen Deutschen Reich, anfangs vorwiegend aus der Bauernschaft teil.

Die Veranstaltungen waren am Anfang tatsächlich auf die Bauernschaft ausgerichtet und wandelten sich schnell zu militärischen Zielen. Luftwaffe und Heer waren nicht nur vertreten, sondernd tatsächlich im Einsatz um ein Übungsdorf spektakulär zu „beseitigen“.

Rasenfläche am Bückeberg mit Menschenmassen, nicht datierte Klappkarte

Die Veranstaltungen stellten hohe Anforderungen an die Logistik in allen Bereichen. Die Organisation band viele Menschen mit ein, um die Wiese herzurichten. Befestigung, Aufbauten, Stromversorgung für Parteireden, Verlegung von Fernsprechkabel, ausufernder Fahnenschmuck, An- und Abreise der Ehrengäste, Parteigrößen und des Volkes, Sonderzüge, Postbusse, Übernachtungen, Essen, Trinken und vieles mehr.

Und auch die Deutsche Reichspost war vertreten und wurde für die Staatspropaganda genutzt. Nicht nur durch fahrbare Postämter, sondern auch durch Postbeamte, die mit Bauchladen ausgestattet Postkarten und Briefmarken verkauften.

Fahrbares Postamt auf dem Erntedankfest 1937

Das obige Foto und der folgende Text sind mit freundlicher Zustimmung der Autoren Heinrich Munk und Karl-Peter Klein dem Buch „Die Post im Landkreis Hameln-Pyrmont“ entnommen worden:

„Das fahrbare Postamt ist in einem großen Dieselkraftwagen untergebracht; an der linken Längsseite sind drei Schalter mit allem Zubehör eingebaut. Die linke Seitenwand wird in ihrem oberen Teile heruntergeklappt; in einem an diese Seite des Wagens sich anschließenden 20 Quadratmeter großem Zelt kann man auf zwei Stufen an die freigelegten Schalter herantreten. Das Zelt hat einen den Schaltern gegenüberliegenden bequemen Eingang. Auf der rechten Seite befinden sich im Zelt Schreibtische und Stühle, ihnen gegenüber stehen sechs zerlegbare Fernsprechzellen für den Orts- und Fernverkehr. An der Rückseite des Wagens sind noch zwei Wertzeichengeber angebracht. Briefeinwürfe befinden sich an beiden Wagenseiten.“

Die folgenden Daten geben die Einsatztage der jeweiligen Sonderpostämter mit den Fahrbaren Postämtern wieder. Die Veranstaltung selbst dauerte nur jeweils Stunden an einem Tag.

30. September bis 2. Oktober 1933:

Teilnehmer an der Massenveranstaltung 1933 ca. 500.000 Personen

28. September bis 3. Oktober 1934:

R-Brief mit senkrechtem und waagerechten Maschinenstempel Bückeberg bei Hameln, 30.9.34, nach Braunschweig, mit R-Zettel Hameln 1, Unterscheidungsbuchstabe b, R-Zettel mit zusätzlichem Stempel Bückeberg

R-Zettel von obigem Beleg

Reichs-Ernte-Dank-Tag, 30.9.34, Postkartenausschnitt mit Werbestempel, Motiv eine Kornblume auf zwei Getreideähren und mit zwei Symbolen

Am 1.10.34 machte die Rheinisch Westfälische Zeitung (Dortmund, Essen, Duisburg) mit der Schlagzeile „Siebenhunderttausend auf dem Bückeberg“ auf und veröffentlichte auf Seite 1 auch die Reden…

5. bis 6. Oktober 1935:

R-Brief mit Maschinenstempel Erntedanktag Bückeberg bei Hameln, 6.10.35, nach Hameln, mit R-Zettel Hameln 1, Unterscheidungsbuchstabe a, mit Zusammendruck Volkstrachten

Festpostkarte der Deutschen Reichspost zur Kundgebung auf dem Bückeberg bei Hameln und zur Eröffnung des Museums für Deutsche Volkskunde in Berlin Schloss Bellevue am Erntedanktag 1935, ungebraucht, eingedruckte Briefmarke (Michel Nr. 591)

3. bis 4. Oktober 1936:

Maschinenstempel Bückeberg b. Hameln, 4.10.36, vier stilisierte Getreideähren rahmenförmig um den Text, der Ortsstempel um 90 Grad nach links gedreht, zwischen sieben Linien, deren Längen sich der Rundung des Ortsstempel angleicht

2. bis 3. Oktober 1937:

R-Karte mit Maschinenstempel Bückeberg bei Hameln, 3.10.37, nach München, mit R-Zettel Hameln 1, Unterscheidungsbuchstabe c, mit Zusammendruck Hindenburg, zusätzlich Werbestempel Bückeberg b. Hameln Erntedanktag, Stempel München mit Zusatz Hauptstadt der Bewegung und Symbol und Bahnpoststempel München 2 BZ 5.10.37

Teilnehmer an der Massenveranstaltung 1937 über 1.000.000 Personen

Die Veranstaltung 1938 wurde kurzfristig abgesagt, weil die Wehrmacht die Sonderzüge für Truppentransporte benötigte. Einen Tag vor dem geplanten Fest marschierten deutsche Soldaten in die tschechischen Grenzgebiete ein.

Die Planungen der Deutschen Reichspost für Personal und Fahrbare Postämter liefen, wie im Amtsblatt des Reichspostministeriums zehn Tage vor der geplanten Eröffnung der Sonderpostämter bekannt gegeben wurde:

Amtsblatt des Reichspostministeriums Nr. 105 vom 20. September 1938

Bekanntgabe der geplanten Aktivitäten im Amtsblatt

  • I. 4 Postämter auf dem Bückeberg
  • II. 2 Postämter in Hameln
  • III. 2 Postämter in der Zeltstadt Tündern
  • IV. 1 Postamt in der Zeltstadt Afferde
  • V. 1 fahrbares Telegraphenamt mit Springschreibern, einer Sonderbildtelegraphenstelle und einer öffentlichen Fernschreibstelle auf dem Bückeberg
  • a) Anlaß Erntedanktag
  • b) Veranstalter – kein Eintrag!
  • c) 1. und 2. Oktober 1938
  • d) Abgabe von Postwertzeichen; Annahme von gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefsendungen, von Telegrammen und Bildtelegrammen; Vermittlung von Ferngesprächen; Gefälligkeitsstempelungen
  • e) Inschrift der Sonderstempel und etwaiger zeichnerische Darstellungen – „Bückeberg bei Hameln Erntedanktag“, Schriftliche Anträge auf Gefälligkeitsstempelungen sind an das Postamt Hameln zu richten.

Weitere Informationen:

Fahrbares Postamt

Fahrbares Postamt

Am 4. Oktober 1935 gab die Deutsche Reichspost im Rahmen der Serie Deutsche Nothilfe zehn Briefmarken mit Zuschlag mit den Motiven Volkstrachten heraus. Am darauffolgenden Tag begann das dritte Reichserntedankfest (Michel Nr. 588 bis 597):

Auf der Marke (Michel Nr. 591) zu 6 Pfennig plus 4 Pfennig Zuschlag ist eine Frau in Tracht aus Schaumburg-Lippe aus Lindhorst nach 1807 und einem Niedersachsenhof im Hintergrund abgebildet.

Die Fundamente der damaligen Ehrentribüne sind von der Gemeinde Emmerthal bewaldet worden, um die Tribünenreste verschwinden zu lassen.

Veranstaltungsgelände, Blick von unten

Veranstaltungsgelände, Blick von oben

Das Gelände steht seit 2011 unter Denkmalschutz, um eine Bebauung zu verhindern.

Die langjährigen kontroversen Diskussionen zwischen Politik und Bevölkerung, ob ein Dokumentations am Ort der Reichserntedankfeste errichtet werden soll, sind mit der Einrichtung eines Dokumentations- und Lernortes vorläufig beendet worden.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Bueckeberg-Dokumentations-und-Lernort_003229-970x1024.jpg

Abbildung: Auszug aus einem Prospekt vom Dokumentations- und Lernort Bückeberg Reichserntedankfest 1933-1937

Literatur:

  • Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg 1933-1937, Bernhard Gelderblom, CW Niemeyer Buchverlage, Hameln, 2008
  • www.gelderblom-hameln.de
  • Dokumentation Bückeberg www.dokumentation-bückeberg.de
  • Die Post im Landkreis Hameln-Pyrmont, Heinrich Munk und Karl-Peter Klein,
    CW Niemeyer Buchverlage, Hameln, 2012
  • Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10. Februar 2018 (Das braune Bergfest), 14. März 2018 (Der Bückeberg wird Gedenkort) und 5. Juli 2018 (Denkwürdiger Abstecher)
  • Die Zeit, Nr. 5/2018, 25.1.2018 (Hier machten alle mit)
  • Neue Schriftenreihe der Poststempelgilde e.V., Band 158, Paul-Jürgen Hueske, Fahrbare Postämter in Deutschland 1934-1944
  • Die Sonderpostämter der Deutschen Reichspost 1933-1945, Wolfgang Reck und Dr. F.W. Schembra, Heft 22 der Arge R- und V-Zettel e.V.
  • Katalog der deutschen Sonderstempel, Julius Bochmann, Volk und Reich Verlag, Berlin, Juni 1938
  • Amtsblatt des Reichspostministeriums Nr. 105 vom 20. September 1938
  • aktuelle Fotos vom Autor, August 2018
  • Faltplan, Dokumentations- und Lernort Bückeberg gGmbH, E-Mail: kontakt@bueckeberg-ggmbh.de, Hameln, Stand 3/2022

R-Stempel (Deutsches Reich)

R-Stempel (Deutsches Reich)

Nicht erst nach dem Krieg 1945, wurde aus Mangel an losen R-Zetteln für Einschreibesendungen mit R-Stempeln gearbeitet. Auch im Deutschen Reich kamen 1944 und 1945 R-Stempel zum Einsatz.

Die folgenden R-Stempel aus dem Gebiet des heutigen Niedersachsen sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Zur besseren Lesbarkeit wird der R-Stempel bei Belegen erneut abgebildet.

Bückeburg, 12.3.45, ohne Unterscheidungsbuchstabe (UB), Ankunftsstempel Herdecke 15.12.45, Überroller, Zensurbrief, links Verschlußzettel (Riemer B-100) mit violettem Zensurstempel Military Censorchip Civil Mails 19015 der britischen Zensurstelle Bonn.

Bückeburg wurde am 8.4.45, Herdecke am 13.4.45 besetzt.

Zum Thema Überroller erfahren Sie hier mehr.

Duderstadt, 21.3.44, ohne UB, Ankunftsstempel Berlin 22.3.44

Hildesheim 1, 18.12.44, ohne UB, Ankunftsstempel Krefeld 21.12.44

Offene Frage:

Lieber Leser, kennen Sie eine Verfügung, in der der Einsatz der R-Stempel geregelt wurde?

Literatur:

  • Überroller-Post 1945-1949, vom Dritten Reich in das Nachkriegsdeutschland, Alfred Meschenmoser, Neue Schriftenreihe der Poststempelgilde Rhein-Donau e.V., Heft Nr 104, 1984
  • Die Arbeitsgemeinschaft der R- und V-Zettel Sammler e.V. hat auf ihrer Internetseite eine Vielzahl von deutschen R-Stempeln veröffentlicht: http://arge-r-v-zettel.de/classic-zettel/r-stempel-und-provisorien

Nachsatz:

Das Thema R-Stempel streift Niedersachsen nicht nur während der Zeit des Deutschen Reiches. Weitere Beiträge sind erstellt: