Wahn, ein ehemaliges Dorf im Emsland

Zwischen Lathen und Sögel im Landkreis Emsland erinnert ein Heimatstein an das Dorf Wahn.

Wahn im Emsland, nicht zu verwechseln mit: Wahn (Rheinland) Schießplatz oder dem Flughafen Köln-Bonn, der früher Köln-Wahn hieß.

Gemeint ist Wahn im Naturpark Hümmling, im ehemaligen Landkreis Aschendorf-Hümmling.

Was ist das Besondere an Wahn? Warum gibt es den Ort heute nicht mehr? Wann wurde das Dorf abgerissen? Warum wurden die Menschen aus Wahn ausgesiedelt?

Wahn ca. 1940

Ein Blick zurück:

Seit dem 5. September 1877 ließen der Rüstungsbetrieb Krupp und seine wechselnden politischen Auftraggeber in der Nähe des Dorfes Wahn im Emsland scharf schießen. Besucher waren um die Jahrhundertwende Kaiser Wilhelm II. und eine Delegation aus China. Die Schießversuche waren zunächst auf 10 km, später auf 24 km begrenzt. Die wachsende Reichweite der Kruppschen Kanonen, die dort erprobt worden sind, brachten die Menschen von Wahn zunehmend in Bedrängnis. 1917 gab es einen ersten Enteignungsantrag der Krupp AG beim Königlichen Staatsministerium. Die Verhandlungen über die Durchführung der Enteignungsmaßnahmen standen kurz vor dem Abschluss. Durch den verlorenen 1. Weltkrieg wurden alle Planungen 1918 eingestellt.

Ab 1932/1933 wurden die Planungen zum „Schießplatz Meppen“ erneut aufgenommen.

Ab 1937 musste Wahn dann endgültig weichen, weil das Deutsche Reich Vorbereitungen für den 2. Weltkrieg begonnen hatte.

Ems-Zeitung 19. April 1941

Auszüge aus der obigen Anzeige: „Der Oberpräsident der Provinz Hannover, Hannover, den 18. März 1941. Entscheidung über die Auflösung der Gemeinde Wahn und die Eingliederung des Gebietes derselben in die Gemeinden Sögel, Lathen und Renkenberge, sowie Umgliederung von Flächen aus der Gemeinde Werpeloh in die Gemeinde Sögel

Die Gemeinde Wahn im Kreis Aschendorf-Hümmling wird mit dem 1. April 1941 aufgelöst.

Das Ortsrecht dieser Gemeinde wird mit dem gleichen Zeitpunkt aufgehoben. Die Amtszeit der ehrenamtlichen Amtsträger von Wahn endet mit dem 1. April 1941.“

Ems-Zeitung 17. Juli 1942

Text der obigen Anzeige: „Achtung! Abbruch in Wahn! Bis zum 31.7.1942 müssen in der früheren Ortschaft Wahn die Abbruchsarbeiten abgeschlossen und die Materialien abgefahren sein. Nach dem 31.7.1942 ist das Betreten des Geländes verboten. Die bis zum obigen Termin nicht abgebrochenen Gebäude bezw. nicht abgefahrenen Materialien dürfen dann nicht mehr entfernt werden. Eine Erstattung des Kaufpreises findet nicht statt. Reichsumsiedlungs-Gesellschaft mbH., Berlin. Bauleitung Sögel.“

Der Ort Wahn war über 1000 Jahre alt. Etwa 186 Wahner Familien und insgesamt 1000 Menschen verloren ihre Heimat.

Der ehemals kleine Ort war kein direktes Opfer des 2. Weltkrieges. Schon im Vorfeld wurden die Menschen für die Erprobung von Waffen aus ihrer Heimat vertrieben.

Der alte Ortseingang von Wahn liegt an der Landesstraße L 53 zwischen Lathen und Sögel.

Das Gelände des alten Dorfes ist heute zu besichtigen. Das Kopfsteinpflaster der alten Dorfstraße ist neben Spuren von Bundeswehrfahrzeugen gut zu erkennen,

Die Menschen von Wahn waren durch das Überschießen des Ortes ständig bedroht. Durch Drohungen mit Haft und durch verlockende Angebote der Reichsumsiedlungsgesellschaft (RUGES) wurde der Widerstand gegen die Umsiedlung gebrochen. Auf über 50 verschiedenen Orte, vom westfälischen Münsterland bis nach Mecklenburg, wurde die Dorfgemeinschaft zersiedelt.

Das Schicksal von Wahn wurde am 10. Juni 1936 bei einem Besuch des Schießplatzes durch die Herren Krupp und Hitler besiegelt.

Die Post in Wahn

Dieser Abschnitt ist dem Buch „Use Olde Waohn“, Autor Herrmann Röttgers aus Sögel, entnommen:

Wahn war für den Hümmling bis zum Jahr 1841 Mittelpunkt der Postbeförderung. Fürstbischof Bernhard von Galen, Münster, ordnete 1651 an, eine zweimal wöchentlich verkehrende Botenpost von Münster über Lingen, Haselünne, Wahn, Kluse, Aschendorf nach Ostfriesland einzurichten. In der Franzosenzeit (1807) wurde im Hause Grüter in Wahn eine Postspedition eingerichtet und dem Postamt Lingen unterstellt. Die Postspedition Wahn wurde später nach Lathen verlegt. Ab 1841 leitete man die Post von Meppen über Haselünne, Berßen, Sögel, Wahn, Kluse nach Aschendorf. Mit Inbetriebnahme der Eisenbahn Emden-Rheine im Jahre 1856 wurde eine Pferdepost eingerichtet, die von Lathen über Sögel nach Werlte führte, ohne den Ort Wahn zu berühren. Mit dem Bau einer festen Straße von Lathen nach Wahn im Jahre 1862 wurde der Ort wieder von der Post angefahren. Ab 1898 übernahm die Hümmlinger Kreisbahn den Transport der Postgüter.

Die Postagentur Wahn war zuletzt an der Hauptstraße im Hause des Kaufmanns und Gastwirts Bernh. Holtmann-Oldiges.

R-Brief von Wahn (Bz. Osnabrück) an die Fa. Bünting in Leer, Poststempel vom 22. August 1923, Portohöhe 2000,- Deutsche Reichsmark.

R-Zettel vom obigen Beleg, ganzseitig gezähnt und Zusatz No auf zwei Strichen

Hermann Winkler war ein Geschäftsmann in der alten Ortschaft Wahn. Er hatte eine Bäckerei und einen Gemischtwarenhandel. Die Umsiedlung erfolgte nach Sögel. Hermann Winkler hatte die Hofstelle 132.

Das der Brief an die Firma Bünting in Leer ohne Angaben von Straßenbezeichnung oder Postfach angekommen ist, ist keine Überraschung. Bünting ist ein (großes) Handelsunternehmen mit über 200 Jahren Firmengeschichte und bekannt für seinen Ostfriesentee.

Ein loser R-Zettel als Zeuge für ein verschwundenes Dorf, Wahn (Bz. Osnabrück)

Im Ortsverzeichnis des Reichspostzentralamtes vom Juli 1930 ist Wahn als reichsdeutscher Postort im Oberpostdirektionsbezirk Oldenburg gelistet.

Wie sieht es heute auf dem ehemaligen Gelände des Dorfes Wahn aus?

Die Grundmauern der Kirche sind zu sehen und ehemalige Hofstellen sind durch Schilder markiert. Informationstafeln beschreiben die Situation vor Ort.

Heute nutzt die Bundeswehr (WTD 91) den ehemaligen Kruppschen Schießplatz als Erprobungsgelände. Durch verfeinerte Messmethoden ist heute weniger Raum nötig. Der Ort hätte nach heutigen Erkenntnissen vermutlich stehen bleiben können.

Der Erinnerungsstein an Wahn, WAHN USE OLDE HEIMAT

Am 3. September 2018 lösten Schießübungen bei extremer Trockenheit einen Moorbrand auf dem Gelände der Bundeswehr aus. Der größtenteils unterirdische Brand verbrauchte eine Fläche von etwas mehr als 1000 Fußballfeldern. Erst am 10. Oktober 2018 wurde dieser Moorbrand gelöscht. Der Brandgeruch wurde auch im über 200 km entfernten Hamburg wahrgenommen.

Auslöser des Brandes waren Raketenschießtests der Bundeswehr. Die Rauchfahne des verheerenden Feuers war sogar aus dem All sichtbar. Eine Satellitenaufnahme aus 824 Kilometern Höhe. © Deutscher Wetterdienst

Das Luftbild lässt das Ausmaß des Moorbrandes erahnen. © Bundeswehr / WTD 91

Quellen:

  • Ems-Zeitung 19. April 1941 und 17. Juli 1942
  • Buch „Use Olde Waohn“, Emil Goldschmidt, Juni 1981
  • Deutsche Wochenschau 1939, Umsiedlung von Bauern im Emsland
  • NDR, Hallo Niedersachsen, Peter Kliemann, Dezember 1987
  • Jahrbuch des emsländischen Heimatbundes, Band 39, 1993
  • https://www.erinnerungsort-wahn-huemmling.de/, abgerufen, 23.8.2022, Heimatverein Lathen-Wahn e.V., Wahner Str. 30, 49762 Lathen-Wahn
  • https://www.youtube.com/watch?v=2dpysb48WEs, Wahn – Der vergessene Ort, abgerufen 23.8.2022
  • https://www.ndr.de/geschichte/Wie-die-Nazis-fuer-Krupp-ein-Dorf-raeumen-liessen,wahn166.html, abgerufen 23.8.2022
  • Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91), Am Schießplatz, 49716 Meppen, https://www.bundeswehr.de/de/organisation/ausruestung-baainbw/organisation/wtd-91, abgerufen am 23.8.2022
  • Hamburger Abendblatt, 21. September 2018
  • Deutscher Wetterdienst, September 2018
  • Ortsverzeichnis Reichspostzentralamt Berlin, Juli 1930
  • Topografische Karte Wahn und Umgebung, Quelle: ZVAB Ausgabe: Karte: Um Anfang 1940 Autor: unbekannt, zur Verfügung gestellt von H. Sievering, von https://www.erinnerungsort-wahn-huemmling.de/presseberichte
  • Foto vom Autor Mai 1997