Ein Einschreibbrief vom 12. Oktober 1944 bringt mich zum Thema Wittmundhafen.
Verwirrend stelle ich in der Recherche fest, dass es ein Wittmundhaven gibt. „-haven“ mit „v“ wie bei Bremerhaven, Cuxhaven und Wilhelmshaven. Aber von Wittmundhaven sind es knapp 20 km bis zur Nordsee. Warum ein Haven in Wittmund?
Im Jahr 1911 wurde in Wittmund mit dem Bau eines Landeplatzes für Luftschiffe begonnen. Als offizieller Starttermin gilt der 7. November 1916. Damals landete mit dem Heeresluftschiff LZ 90 der erste Zeppelin in Wittmundhaven. Die Premiere stand unter einem äußerst ungünstigen Stern, denn bereits in der folgenden Nacht riss ein Sturm das Luftschiff los. Es wurde in Richtung Nordsee geweht, wo sie für immer verschwand.
1917 verlegte die Kaiserliche Marine drei Luftschiffe mit entsprechendem Personal hierher. Zwei riesige Hallen mit Platz für insgesamt vier Zeppeline wurden gebaut.
Der Luftschiffhafen war schon einige Zeit in Betrieb und hatte noch keinem allgemeingültigen Namen. Der damalige Platzkommandant Jacobi gab dem Luftschiffhafen kurzentschlossen den Namen Wittmundhaven.
Während des Ersten Weltkriegs gingen die Luftschiffe von hier aus auf Feindfahrt und griffen unter anderem Ziele in Großbritannien an. Nach Ende des Krieges fand die Luftschifffahrt in Wittmundhaven dann sein Ende. Durch die Regelungen des Versaillers Vertrages wurde 1920 der Marineluftschifftrupp aufgelöst, die Hallen abgebaut und das Gelände zur landwirtschaftlichen Nutzung freigegeben.
Belegt sind Briefe und Karten mit dem Hinweis Marine-Feldpost und Feldpost aus den Jahren 1917 und 1918. Die Belege führen den Poststempel Wittmundhaven (Kr. Wittmund) und zusätzlich „Brief-Stempel Kaiserliche Marine“.
Wann exakt sich die Schreibweise von Wittmundhaven geändert hat, ist offen. Die Marine war der Betreiber des Landeplatzes, daher die Schreibweise mit „v“.
Bald nach Ende des 1. Weltkrieges begann sich die Ortsbezeichnung Wittmundhafen mit „f“ einzubürgern. Im Ortsverzeichnis der Oberpostdirektion (OPD) Oldenburg erscheint die neue Schreibweise erstmalig in der Ausgabe von 1925.
Viele Jahre später, kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges, wurde erneut mit dem Aufbau eines Flugplatzes begonnen.
Als die Luftwaffe das Gelände (1938) übernahm wurde die Schreibweise mit „f“, Wittmundhafen sicher verwendet.
Am 15. Dezember 1939 wurde auf dem Fliegerhorst ein Zweigpostamt zur Entlastung des knapp vier Kilometer entfernten Postamts in Ogenbargen (heute Stadtteil von Aurich) eingerichtet.
Einschreibbrief aus Wittmundhafen, Stempel vom 12. Oktober 1944, Brief nach Cottbus, Briefmarken auf der Vorderseite und der…
…Rückseite, Ankunftstempel Cottbus 15. Oktober 1944, Absender mit Postleitgebietszahl 23 Wittmundhafen (Ostfriesland)
R-Zettel vom obigen Beleg
Nach der Fertigstellung Ende 1940 starteten auf drei jeweils 1.200 Meter langen Bahnen zunächst Maschinen, um Bombenangriffe in Südengland zu fliegen. Ab 1943 wurden in Wittmundhafen zudem Nachtjäger stationiert, um die Marineanlagen in Wilhelmshaven vor Angriffen der Alliierten zu schützen. Die Abwehrmaßnahmen waren letztendlich vergeblich. Am 21. März 1945 wurde der Flugplatz bei einem Luftangriff der USA so stark zerstört, dass eine Nutzung nicht mehr möglich war.
Nach der Zerstörung des Fliegerhorstes, wurde der Betrieb des Zweigpostamtes am 5. Mai 1945 eingestellt.
Das Gelände diente nach dem Krieg zunächst erneut der Landwirtschaft.
Im Jahr 1950 bauten die Engländer den bis heute existierenden Fliegerhorst zum dritten Male wieder auf und überließen ihn 1959 der deutschen Luftwaffe. Der Fliegerhorst ist jetzt ein NATO-Luftwaffenstützpunkt.
Die historische Schreibweise „Wittmundhaven“ auf dem Gedenkstein im Fliegerhorst erinnert an die Zeit der Marine-Luftschifffahrt 1911 bis 1918.
Der Deckname des Flugplatzes zu Kriegszeiten war: „Weser“.
Eine Anmerkung für alle Anhänger der Luftfahrt, von Flugzeugen oder von militärischen Bezeichnungen. Dieser Beitrag dient nur der Betrachtung durch die Brille der Postgeschichte. Alles darüber hinaus würde dieses Format sprengen.
Offene Fragen:
Welche Fliegerhorste (Luftwaffe, Heer, Marine) in Niedersachsen lassen sich postgeschichtlich dokumentieren? Wo gab es eine Poststelle oder Agentur? Welche Einschreibzettel mit dem Zusatz Fliegerhorst sind dokumentiert?
Fliegerhorste in Niedersachsen:
- Heeresflugplatz Bückeburg
- Heerespflugplatz Celle
- Fliegerhost Diepholz
- Heeresflugplatz Faßberg
- Fliegerhorst Meppen
- Fliegerhorst Nordholz
- Fliegerhorst Wittmundhafen
- Fliegerhorst Wunstorf
- und ehemalige Fliegerhorste der Wehrmacht und der Bundeswehr
Quellen:
- Wittmundhafen, Postgeschichtliche Blätter Weser Ems, 1970, Heft 7
- Norddeutscher Rundfunk, NDR, „Wittmundhafen: Vom Zeppelin bis zum Eurofighter“, Oliver Gressieker, 7.11.2016
- Fliegerhorstkommandanturen und Flugplätze der deutschen Luftwaffe 1935 bis 1945, Gianfranco Mattieello
- Manfred Tegge, Bremen, https://www.relikte.com/wittmund/index.htm, abgerufen am 30.10.2024