Ein Beleg aus dem Jahr 1941 gibt Gelegenheit sich mit Friedrich-August-Hütte zu beschäftigen. Friedrich-August-Hütte ist ein Stadtteil von Nordenham im Landkreis Wesermarsch.
Einschreibbrief mit Poststempel Friedrich-August-Hütte (OLDB) vom 23. November 1941, Auslands R-Brief nach Liege, Belgien. Beleg mit OKW-Zensur und Lager Zensur Stempel „geprüft“. (OKW= Oberkommando der Wehrmacht)
R-Zettel vom obigen Beleg mit Kürzel (Oldb)
Die Abkürzung „Oldb“ steht für den Freistaat Oldenburg und nicht für die Stadt Oldenburg.
Der Stadtteil ist benannt nach Großherzog Friedrich August von Oldenburg und einer gleichnamigen Zink- und Bleihütte.
Ein Kartenausschnitt von 1910 beschreibt die Lage von Friedrich-August-Hütte direkt an der Weser. Rechter Nachbar der Hütte ist die Superphosphatfabrik. Rechts daneben die Frerische Werft
(Zum besseren Leseverständnis: die aufgeführten Orte Atens, Blexen, Einswarden und Friedrich-August-Hütte gehören heute zu den 35 Ortsteilen von Nordenham.)
Am 1. Mai 1908 wurde Nordenham im Großherzogtum Oldenburg zur Stadt II. Klasse erhoben.
Im Juli 1908 nahm der erste Zinkofen den Betrieb auf, am 8. September 1908 gestattete es der Großherzog, den Betrieb nach ihm Friedrich-August-Hütte zu nennen. Am 12. März 1912 genehmigte die großherzogliche Regierung den Bau einer Bleihütte, am 20. Dezember 1914 wurde auch die Verarbeitung von Bleierzen genehmigt.
Die Zink- und Bleihütte wechselte mehrmals den Besitzer.
1933 wurde der Ort zusammen mit der Gemeinde Blexen in die Stadt Nordenham eingemeindet. Nordenham liegt an der Weser, schräg gegenüber von Bremerhaven, fast an der Mündung der Weser.
Während des zweiten Weltkrieges waren ca. tausend Menschen in Nordenham als Zwangsarbeiter eingesetzt.
In Nordenham sind sechs Zwangsarbeiterlager bekannt: Die Weserflug (Flugzeughersteller) unterhielt Lager in Blexen (an der Papenkuhle) in Friedrich-August-Hütte und an der Adolf-Vinnen-Straße. Die Lager Midgard, Adena und Seekabelwerk standen ebenfalls in Nordenham. Weitere Standorte sind das Lager Haverkiel in Blexersande, in Friedrich-August-Hütte die Sammelunterkunft „Ledigenwohnheim“ und die Gemeinschaftsunterkünfte „Volkers II“, außerdem die „Strandhalle“ in Großensiel.
Beispielhafte Abbildung eines Barackenlagers in Nordenham, das Lager Haverkiel, ca. 1941. Auf dem Schild steht „Blindgänger Lebensgefahr“
Im Lager Haverkiel waren Zwangsarbeiter aus Belgien, Frankreich, Niederlande und Polen untergebracht. Diese Zwangsarbeiter arbeiteten bei der „Weserflug“. Nach Kriegsende waren erst kanadische, später amerikanische Besatzungssoldaten einquartiert. Abriss der Baracken etwa 1960.
Die Rückseite des obigen Beleges:
Rückseite vom obigen Beleg mit Absenderangabe im Lager: Pietra Joseph, …..Lager, Herdejürgen Harmsen, Friedrich August Hütte, i Old, Nord Deutschland
Leider kann ich den Namen des Lagers in der Absenderangabe nicht entziffern. Können Sie bitte helfen?
Weitere Informationen über Herrn Joseph Pietra liefert das Archiv des Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen: Herr Pietra wurde am 24. Mai 1883 geboren und wird als belgischer Staatsangehöriger geführt. Aufenthalt im Wohnlager Herdejürgen & Harmsen von 16. September 1940 bis 16. Januar 1942.
(Anmerkung: in dem Archiv des Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen wird auch ein Herr Josef Pietra (Josef nicht Joseph) als ein italienischer Staatsbürger aus Cremona mit gleichem Geburtsdatum geführt. Die Antwort des Archivs im Februar 2022 konnte den Sachverhalt nicht weiter aufklären.)
Von der Bauunternehmung Herdejürgen & Harmsen, Nordenham wurde mir freundlicherweise aus den firmeneigenen Unterlagen eine Personalkarte von Herrn Josf (vermutlich Tippfehler: Josef) Pietra zur Verfügung gestellt.
Er hat von 1940 bis 1942 als Zimmermann auf einer Baustelle in Wesermünde (heute Bremerhaven) gearbeitet. Vermutlich hat Herr Pietra im Wohnlager Haverkiel in Friedrich August Hütte gelebt.
Personalkarte von Herrn Josef Pietra, zur Verfügung gestellt von der Bauunternehmung Herdejürgen & Harmsen, Nordenham
Zum Thema Post:
Poststellen-II-Stempel von „Friedrich-August-Hütte (Nordenham)“ von 1910 und „Friedrich-August Hütte über Hude-Blexen“ von 1934 sind belegt.
R-Briefe aus Friedrich-August-Hütte aus den Jahren 1945 und 1947 mit dreizeiliger Ortsangabe sind bekannt:
Schwarz weiß Abbildung eines R-Zettels mit dreizeiligem Text Friedrich-August-Hütte (Oldb), 30. Oktober 1947, Aufbrauch der Reichausgabe
Die obige Abbildung ist mit freundlicher Genehmigung dem Rundbrief 45, April 2008 der Arbeitsgemeinschaft Oldenburg und Oldenburger Land entnommen.
In der Literatur und in Postverzeichnissen gibt es leider wenig Material über Friedrich-August-Hütte.
Dem Ortsverzeichnis I, Verzeichnis der Postanstalten, Eisenbahn- und Dampfschiffstationen im Deutschen Reich ist 1938 folgender Eintrag zu entnehmen:
Eintrag Friedrich-August-Hütte über Hude-Blexen. Das Dreieck vor der Ortsbezeichnung bezeichnet eine Poststelle
Im selbigen Verzeichnis 1940 wird Friedrich-August-Hütte als Poststelle 1 geführt. 1941 bis 1943 ist hier ein „ZdA“ gelistet, ein Zweigpostamt des Amtes Nordenham.
Um die Thematik Lager und Zwangsarbeiter besser einordnen zu können, ein Exkurs zur Industriegeschichte, soweit Friedrich-August-Hütte Erwähnung findet.
In den „Postgeschichtlichen Blättern Weser-Ems“ gibt der dortige Autor einen Einblick in die Situation, aus dem Blickwinkel des Jahres 1958:
„Die Weiterführung der Eisenbahnlinie Hude-Nordenham bis Blexen im Jahre 1904 zog weitere Industriegründungen nach sich. Die neuen Werke lagen zwar auf Blexer Gebiet, trugen aber infolge ihrer Nähe wesentlich zum Aufblühen Nordenhams bei. Gedacht ist dabei besonders an die 1905 errichte „Schiffswerft Frerichs AG“ in Einswarden und an die 1906 gegründete „Metallwerke Unterweser AG“ in Friedrich-August-Hütte, die überseeische Blei- und Zinkerze verhütten und das Rohmetall an die Industrie verkaufen. Zu erwähnen ist ferner die „Superphosphat AG“, die 1907 in Friedrich-August-Hütte ins Leben gerufen worden ist und die Herstellung und Bearbeitung von Düngemitteln und anderen Chemikalien betreibt mit Hilfe der in den benachbarten „Metallwerken“ anfallenden Schwefelsäure. Nicht zu Unrecht sprach man damals von Nordenham und seiner Umgebung als der „Zukunftsecke des Oldenburger Landes“.“
„In den Jahren nach 1933 wirkten sich Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Rüstungsaufträge der Reichsregierung bis in unser Gebiet aus. Die „Weser“-Flugzeugbau GmbH errichte Zweigbetriebe in Einswarden in den brachliegenden Hallen der stillgelegten Frerichswerft und in Friedrich-August-Hütte auf dem Gelände der früheren Oldenburger Werft, auf dem 1936 bis 1938 ein Segelfliegerhorst untergebracht war.“
„Dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Vollbeschäftigung infolge der gewaltigen Rüstung in den Kriegsjahren, folgte der Zusammenbruch nach dem zweiten Weltkrieg. Zwar waren Nordenhams Industrie- und Hafenanlagen vom Krieg verschont geblieben und nur wenige Häuser zerstört worden, doch die Schlote rauchten nicht mehr, die deutsche Handelsflotte war versenkt oder abgeliefert, der Schiffsverkehr lag darnieder, die Demontage der Werke drohte. Die gesamte Wesermarsch wurde zum Notstandsgebiet erklärt, und erst lange nach der Währungsreform von 1948 erholte sich Nordenhams Wirtschaft allmählich. … In leerstehende Hallen der „Weser“-Flugzeugbau GmbH in Friedrich-August-Hütte stellt seit 1949 das Werk Nordenham der „Felten & Guillaume Carlswerk AG“ Köln-Mülheim Kabelarmaturen, Schaltgeräte und Elektrokarren her. … Neben den ausgedehnten Tanklagern der Firmen „ESSO“ in Nordenham und „Shell“ in Blexen entstand ein drittes in Friedrich-August-Hütte, dass der „Mobiloel AG“ gehört, bei dem die größten Tanker löschen können.“
Nordenham gehörte im Jahre 1945, wie Bremen, Brake und Bremerhaven, zum amerikanischen Besatzungsgebiet, das mitten in der britischen Zone lag. Ab 1946 stand Nordenham unter britischer Militärverwaltung.
Der Ausschnitt aus einer topografischen Karte zeigt die Lage von Friedrich August Hütte als einem nördlichen Stadtteil von Nordenham, an der Weser, schräg gegenüber von Bremerhaven
Das ehemalige Postamt (Poststelle I) in der Hüttenstr. 6, Aufnahme ca. 1978
Mit den allgemeinen Veränderungen bei der Post wurde aus dem Stadtteil Friedrich-August-Hütte 2890 Nordenham 16:
Zwei verschiedene R-Zettel (Schriftart) vom Postamt 2890 Nordenham 16
…und ab 1. Juli 1993 26954 Nordenham 16:
R-Zettel mit fünfstelliger Postleitzahl 26954 Nordenham 16
Das Postangebot in Friedrich-August-Hütte wird aktuell über „Partnerfilialen“ organisiert: seit dem 1. April 2017 in der Firma Fitness Bodywork, Martin-Pauls-Str. 160. Davor im Kiosk FAH, Hoher Weg 21.
Der Name des Stadtteils (Hütte) findet sich auch heute an dem Standort in einer Firmenbezeichnung wieder:
Hinweisschild zur Nordenhamer Zinkhütte GmbH
Das Haupttor zum Firmengelände
Die Nordenhamer Zinkhütte GmbH, Glencore Company
Nachsatz:
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Postgeschichte und nicht mit der Frage der Zwangsarbeiter während des 2. Weltkrieges. Zu diesem Thema gibt es wissenschaftliche Literatur, auf die ich Sie verweise.
Quellen:
- Ortsverzeichnis I, Verzeichnis der Postanstalten, Eisenbahn- und Dampfschiffstationen im Deutschen Reich, Ausgabe 1936 bis Ausgabe 1943
- Postgeschichtliche Blätter Weser-Ems, 1958, Die Post in Nordenham, Heinz Schatte
- Topografischer Atlas, Niedersachsen und Bremen, 1977, Karl Wachholtz Verlag, Neumünster
- Helmut Reins, Nordenham, Foto vom Postamt, 1978
- Ortsverzeichnis Post (OV Post), Deutsche Bundespost, verschiedene Jahrgänge, u.a. 1980, 1991
- Chronik, 50 Jahre Siedlergemeinschaft Friedrich-August-Hütte, 1941-1991
- Kreiszeitung Wesermarsch, 27. Mai 2000, „Zwangsarbeit in der Wesermarsch“
- Nord-West Zeitung, 18. Juni 2005, Henning Bielefeld, „Ein Dorf schlüsselfertig gebaut“, NWZ-online
- Rundbrief 45, April 2008 der Arbeitsgemeinschaft Oldenburg und Oldenburger Land e.V.
- Nord-West Zeitung, 23. April 2008, Henning Bielefeld
- Holger Frerichs, Varel
- Dieter Folgmann, Herdejürgen & Harmsen Baugesellschaft mbH & Co KG, Nordenham
- Archiv Internationaler Suchdienst Bad Arolsen, https://collections.arolsen-archives.org/de/search
- Fotos vom Autor, September 2018 und Januar 2022