Emden, kaiserliches Post- und Telegraphenamt

Ein unscheinbarer Beleg von Emden nach Lübeck. Aber die zwei Buchstaben hinter dem Ortsnamen auf dem Einschreibzettel machen mich neugierig:

TA

Die Abkürzung steht für Telegraphenamt und beinhaltet in voller Länge das kaiserliche Post- und Telegraphenamt in Emden

Das Wort Telegraphie, wurde aus dem Griechischen entlehnt (telos = fern, Graphen = schreiben)

Das im 19. Jahrhundert erfundene Telegramm war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine der schnellsten Möglichkeiten, wichtige Informationen zu übermitteln. Persönlich oder telefonisch beim Post- oder Telegraphenamt diktierter Text wurde in der Regel per Fernschreiber an ein Post- oder Telegrafenamt in der Nähe des Empfängers übermittelt und dann per Bote zugestellt.

Poststempel Emden vom 8. September 1943 mit R-Zettel der Einheitsausgabe des Deutschen Reiches. Brief nach Lübeck

Einschreibzettel vom obigen Beleg

Wo stand in Emden das kaiserliche Post- und Telegraphenamt?

Kartenausschnitt eines Stadtplans von Emden, ca. 1908

Über der Bezeichnung „Delft“ auf dem Gewässer liegt eingerahmt zwischen der Großen Osterstraße und der Großen Brückstraße die Post, das kaiserliche Post- und Telegraphenamt.

Die Geschichte begann am 1. Januar 1855 mit der Eröffnung der Königlich Hannoverschen Telegraphenstation in Emden mit dem Betrieb von Seekabeltelegraphie.

Die Post war beim Bahnhof untergebracht. Die Telegraphenstation war Mieter im Kappelhoffschen Haus am Delft 25/26.

Der ständig zunehmende Postverkehr, die Zusammenlegung der Post mit dem Telegraphenwesen, erforderte einen Neubau. In Emden (bzw. im Reichspostamt in Berlin) entschloss man sich, die Post und Telegraphie) an einem neuen Standort unter einem Dach zu vereinen.

Das Kaiserliche Postamt wurde im Stile der italienischen Neorenaissance von 1877 bis 1879 zur Zeit des Postministers Heinrich von Stephan an der Brückstraße, Ecke Grauferdstraße erbaut.

Am 1. April 1879 fand die feierliche Einweihung statt.

Das Erdgeschoß wurde ausschließlich für den Postbetrieb eingerichtet. Im ersten Stock befanden sich die Diensträume vom Telegraphenamt und die Dienstwohnung des Telegraphenamt-Vorstehers. Das zweite Stockwerk enthielt die Räume für den Betrieb der Vereinigten deutschen Telegraphengesellschaft und für die Abteilung der Indo-European-Telegraph-Company, sowie die Dienstwohnungsräume für den Postamtsvorsteher.

Für den Telegrapfenbetrieb wurde 1879 in Emden 28 einmündende Leitungen, davon 15 für den internationalen und 13 für den inländischen Verkehr genutzt.

1894 bis 1896 wurde das Gebäude erstmalig ergänzt.

Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahr, Postkarte mit Stempel vom 2. Januar 1901

Die Abbildungen zeigen im Jahr 1900 die Verbindungen der Kabel von und nach Emden. Rechte Bildseite die Darstellung des Kaiserlichen Post- und Telegraphenamtes. Bildmitte die namentliche Auflistung von Malmoe, Wien, Amsterdam und Rotterdam. Links die Namen der Verbindungen nach Bacton (England), Lowestoft (östlichste Stadt Großbritanniens), Hamburg-Bremen-Berlin, Azoren (in Horta auf der Insel Fayal), New York, Vigo (Spanien) und Valentia (Irland).

Ergänzt werden können die Verbindungen nach Santa Cruiz auf Teneriffa (Spanien), Monrovia (Liberia), Recife di Parnambuco (Brasilien), Lome (Togo), Duala (Kamerun), Brest (Frankreich).

Das Telegraphenamt war das größte Kabelamt der Welt mit weltweiten Verbindungen.

Am 30. Juli 1902 besichtigte Se. Majestät der Kaiser das Telegraphenamt in Emden. Neben den üblichen Ritualen einer Besichtigung wurde aus Vorführungsgründen zwei Telegramme nach New York und Horta gesendet. Kurze Zeit später kamen die Antworten:

nach New York: Seine Majestät der Deutsche Kaiser besichtigen soeben die Anlagen des hiesigen Telegraphenamts. Empfangsbestätigung erbeten. aus New York: Wir würden glücklich sein, wenn Seine Majestät der Deutsche Kaiser mit den Leistungen der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft zufrieden wären.

nach Horta: Seine Majestät der Kaiser besichtigen soeben das Telegraphenamt in Emden und wünschen den Beamten der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft in Horta ferneres gedeihliches Wirken. Antwort aus Horta: Die Beamten der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft in Horta, hochbeglückt durch das gnädige Gedenken, bitten Seiner Majestät allerunterthänigsten Dank darbringen zu dürfen.

Am 6. Februar 1903 ging diese Postkarte auf die Reise, linke Bildseite das Post- und Telegrapfenamt. Interessant der Blick in die Grosse Brückstraße und die Bebauung gegenüber dem Amt.

Der Turm war 75 Meter hoch, trug vier Uhren und eine Glocke und hatte auf der Spitze einen Drachen als Windzeiger!

Von 1908 bis 1910 gab es eine weitere bauliche Erweiterung.

Die Straßennamen in Emden haben sich, wie in anderen Orten auch, geändert. Die Große Osterstraße heißt jetzt Osterstraße. Und die Große Brückstraße hat ebenfalls den Zusatz eingebüßt. Die Grauferdstraße wurde in Stephanstraße umbenannt.

Für Emden war die Erfindung der Telegrafie ein Glücksfall. Und die exponierte Lage von Emden im Nordwesten des Landes an der Nordsee war Voraussetzung für die vielen zu verlegende Seekabel.

Kaiserliches Telegraphenamt, Inschrift über der obersten Fensterreihe, linker Anbau noch nicht vorhanden

Porträtbüste Heinrich von Stephan in Emden, auf einer Grünfläche zwischen Am Brauersgraben und Stephansstraße

„Am 15. April 1896 wurde das Stephans Denkmal in Emden feierlich enthüllt. Es steht auf dem Stephansplatz gegenüber dem Reichspostgebäude. Stifter des Denkmals sind Bürger der Stadt Emden und andere Verehrer des Staatssecretairs. Das Denkmal soll ein Zeichen der Dankbarkeit für die hohen Verdienste sein, welche sich der Begründer des Weltpostvereins besonders um das Aufblühen der Stadt Emden erworben hat, die es dem Staatssecretairs verdankt, daß sich durch ihre unterseeische Telegraphenverbindung eine an Bedeutung stetig wachsende Vermittlungsstelle des telegraphischen Weltverkehrs geworden ist.“

Im Erdgeschoß des Gebäudes befand sich das Postamt. In der 1. und 2. Etage war das Telegrafenamt untergebracht.

Der Erweiterungsbau des Post- und Telegraphenamtes in Emden, Ansicht Große Osterstraße, Postkarte mit Stempel vom 20. September 1911

Von Lambert Anneken, Quelle siehe unten, stammen die Beobachtungen aus den beginnenden 1930er Jahren. „Arbeitskittel und die zum Aufkleben der Telegramme benötigte Schere mußte sich jeder selbst kaufen. Nur die Farbstifte zur Markierung der verschiedenen Telegrammarten wurden geliefert, gegen schriftliches Anerkenntnis und mit der Mahnung sparsam mit dem Reichseigentum umzugehen. Die Arbeit im Betrieb erfolgte im Schichtdienst. In den Tagesstunden wurden der europäische Verkehr und der Verkehr von Europa nach Übersee abgewickelt. Gegen Abend setzte dann der Hauptverkehr aus Amerika ein, der erst gegen 4.00 Uhr morgens abebbte. Emden hatte den Ruf, das Telegraphenamt mit den kürzesten Laufzeiten und mit der geringsten Fehlerquote zu sein.“

Das Kaiserliche Post- und Telegraphenamt auf einer Postkarte vom 12. Februar 1912, über der obersten Fensterreihe Inschrift Kaiserliches Telegraphenamt, der linke Anbau steht

Der 2. Weltkrieg beeinflusste auch hier das Geschehen. Eine Luftmine traf im März 1941 den östlichen Teil des Gebäudes. Der Turm wurde im April 1941 abgebrochen, um feindlichen Flugzeugen kein Anflugziel zu bieten. Am 6. September 1944 brannte ein großer Teil des Gebäudes nach einem Bombenangriff aus und wurde zerstört.

Zerstörtes Post- und Telegraphenamt, Stephanstraße

Der Wiederaufbau der Gebäude, 1952

Das Fernmeldeamt Emden wurde am 9. März 1964 nach Leer verlegt. Damit hat das alte TA Emden, das erst seit 1952 die Bezeichnung Fernmeldeamt trug, nach 109 Jahren sein Ende gefunden.

Das Amt hatte erhebliche Bedeutung für die deutsche, europäische und die Weltwirtschaft. Viele Millionen Telegramme des Überseeverkehrs hatten in ihrer Leitwegangabe die Bezeichnung „via Emden“.

Mit der Privatisierung der Deutschen Bundespost im Rahmen der Postreform zum 1. Januar 1995 wurden die Fernmeldeämter aufgelöst.

Die Deutsche Post hat den Telegrammdienst zum Jahresende 2022 einstellt. 2018 hatte die Post bereits den Versand von Telegrammen ins Ausland eingestellt. Mit der Verbreitung des Telefons und mehr noch mit dem Aufkommen von Internet und Smartphones verlor das Telegramm an Bedeutung.

Im Mai 2024 werden die vorhandenen Gebäude von verschiedenen Firmen genutzt:

Straßenansicht Osterstraße

Rückseite Innenhof, über Brückstraße, ehemaliger Posthof

Ein Fernmeldeturm auf dem Gelände erinnert eher zufällig an die lange Geschichte des Telegraphenamts in Emden

Quellen:

  • Archiv für Post und Telegraphie, Nr. 9, 1879, Das neue Reichs-Post- und Telegraphengebäude in Emden
  • Archiv für Post und Telegraphie, Nr. 16 und 17, 1886, Emden und seine Telegraphenanstalten, Hofmeister
  • Archiv für Post und Telegraphie, Nr. 8, April 1896, Das Stephans Denkmal in Emden
  • Archiv für Post und Telegraphie, Nr. 9, Mai 1896, Das Stephans Denkmal in Emden, Nachtrag
  • Archiv für Post und Telegraphie, Nr. 19, 1902, S. 591-593, Die Besichtigung des Telegraphenamts Emden durch Se. Majestät den Kaiser
  • Bunkermuseum Emden, Aus den Aufzeichnungen des Telegraphenamtes Emden vom 6. September 1944 von Internetseite https://bunkermuseum.de/pdf/angriffe_emden/telegrafenamt_emden_6_september_1944.pdf, abgerufen am 11. Juni 2024
  • Geschichte des Telegraphenamtes Emden, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen am 1. Januar 1955, Fritz Thole, Oberpostdirektion Bremen
  • Postgeschichtliche Blätter Weser-Ems, Das Telegraphenamt Emden 1855 – 1964, Hefte 10 und 12
  • Heiteres und Besinnliches aus meiner Zeit beim TA Emden, Lambert Anneken, Postgeschichtliche Blätter Weser-Ems, 1986
  • Fotos vom Autor, Mai 2024

Und ich danke Herrn Hans-Jürgen Hinrichs, Emden herzlich für die Unterstützung bei der Literatursuche und den Postkartenabbildungen.

Die technischen Besonderheiten des Telegraphendienstes sollten in diesem Artikel nicht beschrieben werden. Es würde den Ansatz dieses Blog sprengen. Wer sich für Überseekabel, telegraphische Depeschen, Morse Apparate, Streifensender, Dreitastenlocher oder Multiplex Verteiler interessiert, wird auch auf die obigen Quellen hingewiesen.

Ein Lesetipp zu einem anderen Emden Artikel: Emden-Außenhafen

Offene Fragen:

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R-Zettel Emden Tel, Unterscheidungsbuchstabe a

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Siegel Kaiserliches Deutsches Telegraphenamt Emden